Das Dorf Puyuhuapi steht exemplarisch für viele kleine Orte in Patagonien mit dem Unterschied, dass seine Entstehungsgeschichte relativ gut dokumentiert ist. Puyuhuapi, wo ich in der Hosteria Alemana residiert habe, wurde 1935 von vier abenteuerlustigen Sudetendeutschen gegründet, die hierher ausgewandert sind. Inspiriert zur Auswanderung wurden sie durch ein Buch des Schweizers Hans Steffen, der die Anden erforscht und darüber geschrieben hat. Auswanderern wurde damals von der chilenischen Regierung in Patagonien gratis Land versprochen, wenn sie freiwillig hier unten siedeln. Heute ist Puyuhuapi ein Dorf mit ca. 540 Einwohnern aber damals war hier in dieser Bucht am Ende eines Fijords nichts ausser Wald. Begeistert von den Erzählungen von Hans Steffen haben sich die vier Deutschen mit ein paar Kisten voll Proviant, Werkzeugen und sonstiges Habseligkeiten hier absetzen lassen und erst mal mit Hilfe einer Handvoll in Chiloé angeheuerter Arbeiter begonnen, eine Hütte zu bauen und den Wald zu roden. Das grösste Problem war in den Anfangsjahren die Verbindung mit der Aussenwelt, denn die Selbstversorgung klappte mangels Erfahrung noch nicht richtig und das einzige, monatliche verkehrene Schiff zwischen Puerto Montt und Puerto Aysén ist am Puyuhuapi-Fijord einfach vorbeigefahren. So mussten die Deutschen, um nicht zu verhungern, jeweils auf’s Meer rausrundern und tagelang ausharren bis ein Versorgungsschiff vorbeikam, das sie anfangen konnten. Erst Jahre später wurde der Fijord ausgelotet und der Kahn hat danach jeweils routinemässig hier anlegt. Ausser auf dem Seeweg war das Dorf aber noch jahrzehntelang nicht zu erreichen bevor dann Ende der Siebzigerjahre die Carretera Austral gebaut wurde. Interessante Details: Das erste Haus der Siedler wurde mehrfach überschwemmt weil sie es zu nahe am Ufer gebaut hatten, das zweite ist abgebrannt, ein Erbeben hat weitere zerstört, seit den Vierzigern haben sie Elektrizität mit einem eigenen Wasserrad produziert bis Jahrzehnte später dann der Anschluss an das allgemeine Stromnetz realisiert wurde, in den Fünfzigern kam eine Funkstation hinzu, eine Schule gibt’s seit den Sechzigern, ein (!) erstes Telefon wurde im Dorf 1988 installiert, Fernsehen kam in den Neunzigern und Internet erst im Jahr 2008. Die ganze Geschichte des Dorfes wurde von Luisa Ludwig, der Tochter eines der ersten Siedler, im Buch ‘Curanto y Kuchen’ dokumentiert und die Entwicklung von den primitiven Anfängen bis in die Neuzeit wird darin super spannend anhand von Interviews mit den ersten Siedlern bzw. deren Nachkommen beschrieben. Ich kannte die Geschichte in groben Zügen bereits aus dem Reiseführer und habe die deutsche Ausgabe des Buches an einem regnerischen Nachmittag in der Hosteria, welche ebenfalls von Nachkommen der ersten Siedler betrieben wird, richtiggehend verschlungen – einen Meter neben dem einzigen Ofen im Haus während es draussen geschüttet hat.
Day: May 28, 2017
Ein ¡Salud! auf die Cervezas Artesanales
Wie mir scheint ist die Carretera nicht nur eine Teststrecke für Stossdämpfer und ein Live-Kino für die schönsten Landschaften Patagoniens sondern auch eine eigentliche ‘Bierstrasse’. Zum Weindegustieren geht man besser ins schicke Valle Colchagua in Mittelchile. Aber wenn’s um eine Cerveza Artesanal geht, ist man hier unten genau richtig. Jedes Kaff entlang der Ruta 7 scheint sein eigenes Bier zu brauen: Tropera gibt’s in Coyhaique, Finisterra in Puerto Cisnes, Hopperdietzel in Puyuhuapi usw. Und dann jedes mal als Blondes, Ale oder Dunkles. Da kommt einiges zusammen, wenn man alle einmal probiert haben will… Vielleicht liegt das an den zahlreichen deutschen Auswanderern im letzten Jahrhundert: Neben Kuchen scheinen sie auch das deutsche Reinheitsgebot mit nach Chile gebracht zu haben…
