Freiraumzeit

Als ich mich vor zehn Wochen in die Ferien verabschiedete, hatte ich keinen Plan, wie diese Zeit im Detail verlaufen sollte. Ich hatte keinen Flug gebucht, keine Hotelreservierung getätigt und keinen Mietwagen organisiert. Die Reiseroute konnte ich bei Nachfragen bestenfalls mit einer der vier Himmelsrichtungen angeben aber mit welcher war noch nicht wirklich sicher. Und den Reiseführer über Chile hatte ich gerade mal rasch überflogen. Klar, ich hatte eine Idee im Kopf aber sonst hatte ich rein gar nichts. “Der spinnt doch…”. Nein, denn genau darum ging’s!

Santiago
Keine Gasexplosion sondern der Ausblick von meinem Hotelzimmer in Santiago bei Sonnenuntergang

Ich wollte eben nicht wissen wie der nächste Tag, die nächste Woche oder die gesamten zwei Monate verlaufen werden sondern Raum haben, um zu tun und zu lassen was immer mir gerade einfällt. Und die Reise während der Reise selbst entwickeln und organisieren. Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche. Das ist ein wichtiger und spannender Teil des ganzen Erlebnisses: Sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden zu müssen und alles Nötige vor Ort zu organisieren, sich mit den Leuten auseinanderzusetzen, sich durchzufragen, sich umzusehen, in ungewohnte Situationen zu geraten usw. Einen durchstrukturierten Tagesablauf und Terminplan habe ich sonst das ganze Jahr hindurch, das brauche ich nicht auch noch während einer längeren Pause vom Alltag. Jaja, ich höre schon das Räuspern auf den Rängen wegen dem ‘strukturiert’ aber darüber sehe ich jetzt mal grosszügig hinweg, so tiefenentspannt wie ich nach zehn Wochen ‘Freiraumzeit’ bin… 😉 Damit diese Art des Reisens funktioniert, braucht es Zeit. Dafür reichen zwei Wochen regulärer Sommerurlaub – mindestens bei mir – nicht aus. Und genau deshalb tut es gut, alle paar Jahre eine längere Pause zu machen. Denn: “Life moves pretty fast. If you don’t stop once in a while and look around you could miss it!” Und schneller als man denkt ist someday dann yesterday…

Ich danke allen, die immer mal wieder in den Blog reingeschaut und Feedback gegeben haben. Ich hoffe ihr hattet beim Lesen genau so viel Spass wie ich beim Schreiben. Und wenn ihr morgen über eure Schulter blickt, dann stehe ich vielleicht schon wieder da…

Pulver gut

Etwas hatte ich seit längerem auf meiner Bucket-List: Skifahren in Südamerika. Das wollte ich spätestens seit ich vor vier Jahren die Telesillas in Ushuaia gesehen hatte. Damals musste ich das Vorhaben vertagen weil hier Sommer war. Aber jetzt im Juni hat’s in den Bergen Chiles bereits kräftig geschneit und seit ca. zwei Wochen sind einige der Skigebiete in Betrieb. Nachdem ich die Liftanlagen in Ushuaia und Osorno kritisch beäugt hatte und diese ein eher flaues Gefühl in meiner Magengegend hinterlassen haben (Stand vergleichbar mit den 70er Jahren in der Schweiz und vermutlich dann auch zum ersten und letzten mal gewartet), habe ich mich für das Valle Nevado in der Nähe von Santiago entschieden. Das ist gemäss meinen Recherchen das modernste und am besten organisierte Skigebiet hier; die haben sogar eine Gondelbahn – die einzige in Chile! Portillo, wo einige Weltcup-Teams zum Sommertraining hinfahren, wäre eigentlich meine erste Wahl gewesen aber dort hatte es leider noch nicht genug Schnee.

SkiDani

Den Stress mit dem Mieten und Montieren von Schneeketten wollte ich vermeiden und so habe ich eine Tagestour gebucht. Einige der besten Skigebiete Chiles liegen nur 1 – 2 Autostunden von Santiago entfernt und deshalb gibt es hier einige Sportgeschäfte, die Komplettpakete anbieten: Skiausrüstung mieten, Transfer hin und zurück sowie eine Tageskarte für ca. 150 Stutz! Und beim Anbieter meiner Wahl nammens ‘Ski Total’ war wie ich bald gemerkt habe sogar noch ein Bergrennen mit inbegriffen. Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei ‘Ski Total’ bedanken für die 10 Minuten zusätzliche Skizeit, die wir durch die Raserei gewonnen haben, und natürlich auch dafür, dass wir lebend am Ziel angekommen sind.

This slideshow requires JavaScript.

Die Anlagen und Pisten im Valle Nevado sind durchaus vergleichbar mit Skigebieten in den Alpen und mancher schweizer Wintersportort muss sich kräftig strecken, um hier mithalten zu können. Ich war wirklich beeindruckt! Ein toller Skitag zum Abschluss meiner zweimonatigen Reise durch Chile!

Von Igeln und Hasen

Ich nehme mal an ihr kennt alle die Geschichte vom Igel und vom Hasen: Egal wie schnell der Hase auch gerannt ist, der Igel war immer schon da. Ungefähr so verhält es sich mit mir und den Carabineros de Chile: Was ich auch mache, wo ich auch hinfahre, um welche Ecke ich auch biege, die Polizei ist garantiert schon da! Ich hatte in meinen 46 Jahren zusammengerechnet nicht so viele Begegnungen mit der Polizei wie in den vergangenen beiden Monaten in Chile. Ich glaube, die verfolgen mein GPS-Signal… Wobei ich mich nicht beklagen will: Die chilenischen Ordnungshüter sind absolut korrekt, nett und hilfsbereit auch wenn sie immer eine leichte berufsbedingte ich-trage-eine-Uniform-und-du-nicht-Arroganz zur Schau stellen. Und ihre permanente Präsenz überall im Land macht Chile für südamerikanische Verhältnisse auch sehr sicher. Ich möchte die Carabineros hier also sicher nicht kritisieren. Aber man fühlt sich schon ein wenig verfolgt und hat immer irgendwie das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Denn sie sind einfach überall!!! Es gibt kein noch so kleines Kaff ohne ein grün-weiss bemaltes Polizeigebäude; die Kirche oder eine Beiz können ev. fehlen, aber der Polizeiposten niemals!

Eine von vielen Anekdoten, die ich zu dem Thema erzählen könnte: Ich fahre stundenlang irgendwo durch die Pampa und brauche dringend eine Pause aber nirgends hat’s ein Pueblo oder auch nur ein Restaurant am Strassenrand. Endlich komme in an einem Weiler vorbei. Ich schwör’s: Mehr als 50 Seelen können hier nicht leben. Es ist Samstag Nachmittag, kein Mensch auf der Strasse zu sehen und entlang der 200 Meter Strasse durch Pueblo Downtown hat’s zwei Läden und einen Kiosk und das war’s. Aber ich bin gewarnt: Nur nichts falsches machen, weil der Igel… ihr wisst schon. Ich stelle also mein Auto an den Strassenrand brav hinter einen anderen Wagen, der schon dort steht, steige aus und gehe weg in Richtung des Kiosks. Als ich mich für einen Kontrollblick umdrehe, sehe ich wo ich da parkiert habe: Direkt vor einem Polizeiposten… 😳 Ich überlege kurz, ob ich wieder wegfahren soll aber da auch ein anderer Wagen dort steht und ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin, lasse ich es bleiben und schlendere weiter. Worauf natürlich keine 10 Sekunden später der Dorfpolizist rauskommt und mich zurückpfeift. Ich habe zwar nicht verstanden, was er gesagt hat, kann mir aber denken, dass es übersetzt in etwa geheissen hat ‘Hey du, chasch doch do nid aifach vor em Boschte parkiere, fahr dä Charre ewäg, aber subito’!

Carabinero2
Oder dann die Erfahrung, dass die Carabineros oft genau dort Pause machen wo ich auch anhalte. Beispiele gefällig? Ich tanke und fahre dann noch rüber zur Raststätte, um einen Kaffee zu holen. Wer kommt angefahren und parkiert direkt neben mir als ich austeige? Richtig! Oder ich sitze in Valparaiso nach dem Sightseeing zum Lunch in ein Café. Wer kommt rein und will einen Café para llevar kaum hocke ich dort? Eben! Oder ich komme abends in Antofagasta angefahren und will vor dem Hotel einen (dort erlaubten!) U-turn machen um zu parken. Wer wartet auch dort um zu wenden? Genau! Wie gesagt, das sind nur einzelne von vielen, vielen Begegnungen von denen ich erzählen könnte. Mehr dazu dann zuhause bei einem Bier (oder auch zweien).

Flamingos in der Salar de Atacama

Rosa Flamingos, die bei strahlendem Sonnenschein in einem türkisfarbenen See mitten in der Wüste stehend vor einem Hintergrund aus leuchtend weissen Schneebergen und tiefblauem Himmel nach Krebsen schnappen – Magazine wie National Geographic oder Geo bzw. Reportagen auf Discovery Channel lassen grüssen. Und jetzt bin ich hier in der Salar de Atacama und es sieht genau so aus! Kein Photoshop! So ist es wirklich! Ich bin sprachlos und habe fertig für heute – was einige von euch vielleicht mit Erleichterung zur Kenntniss nehmen… 😉!

P. S.: Meine lahmen iPhone-Fotos hier können nicht mal annähernd vermitteln, wie fantastisch das Panorama tatsächlich ist. Dafür bräuchte es einen ausgewachsenen Photoapparat anstatt dieser Telefon-Knipsmaschine. Leider war ich zu faul meine richtige Kamera mitzunehmen…

Vom Weihnachtshafen bis ins Mondtal – Valle de la Luna

Vor vier Jahren im tiefsten Süden Patagoniens hatte ich in einer Pizzeria in Puerto Natales eine chilenische Familie im Urlaub getroffen. Damals war mein Spanisch noch konversationstauglich und so haben wir uns während des Essens längere Zeit unterhalten. Die Chilenen haben mir u. a. vom Valle de la Luna im Norden Chiles vorgeschwärmt, welches ich unbedingt noch besuchen müsse. Naja, damals hatte ich keine Zeit dafür, noch nie davon gehört und war auch nicht sonderlich an der Wüste interessiert (Sand? Nein danke…). Vier Jahre und einen durchgearbeiteten Reiseführer später bin ich nun hier und ich muss zugeben, dass sie recht gehabt haben mit ihrer patriotischen Schwärmerei. Mit dem Mond hat das Tal zwar nichts zu tun und auch Meteoritenkrater gibt es hier keine. Das Mondtal ist eigentlich ein Teil der Salzwüste und wurde in den 60er Jahren, als die ganze Welt vom Weltraumfieber angesteckt war, aus marketingtechnischen Gründen in Valle de la Luna umbenannt. Wenn man die heutigen Touristenströme als Gradmesser nimmt, dann würde ich mal sagen, der damalige Marketingchef hat sich einen dicken Bonus verdient… Aber ich will hier nicht nörgeln: Das Valle de la Luna IST der Hammer!!! Es erinnert wirklich alles ein wenig an eine Mondlandschaft aus dem Bilderbuch mit grossartigen Felsformationen in fantastischen Farben! Seht es euch selbst an.

P. S.: Für diejenigen, die es noch nicht gemerkt haben: Man kann auf die Einzelbilder des Mosaiks draufklicken und dann werden sie grösser…

Ein Schneemann in der Wüste

In San Pedro de Atacama dreht sich nicht ganz überraschend alles um die Wüste. Das Städtchen ist ein richtiger Touristenort mit unzähligen Hostels, Restaurants, Bars, Souvenir-Shops und Tour-Anbietern. Normalerweise eine Kombination, bei der ich spätestens nach einer Stunde auf dem Absatz kehrt mache und zurück in die Wüste fahre. Aber irgendwie hat dieses Städtchen im Pueblo-Style etwas. Mir gefällt’s jedenfalls und ich habe meine geplante Aufenthaltsdauer bereits verlängert und fleissig Exkursionen gebucht: Valle de la Luna, Salzseen und Flamingo-Lagune, Geysier de Tatio, Tour Astronómico usw. Dazu gibt es hier viele feine Restaurants und coole Bars zum Zeitvertreiben am Abend. Und zur Abwechslung hat es auch einmal ein paar Touristen. Hier lässt es sich also aushalten. Nun zum Titel des Posts: Falls ihr bis hierhin mitgelesen habt, dann hat er erstmal seinen Zweck erfüllt…😄
Beim Wort ‘Wüste’ denkt man normalerweise zuerst an Steine, Sand, Trockenheit und Hitze. Aber während diese Attribute auch auf die Atacama zutreffen, liegt diese Wüste zusätzlich auf einer beträchtlichen Höhe: San Pedro auf ca. 2500 MüM, die Cordillera de Domeyko, über die man von Antofagasta aus hinüber muss, um hierher zu kommen, ist nochmals ein paar Hunderter höher und die Vulkane in der Umgebung erreichen locker 5000 – 6000 MüM. Wir sind hier in den Anden und auf dieser Höhe lässt sich dann halt auch ein Schneemann in der Wüste bauen – wie ihr auf den Bildern sehen könnt 😊.

Nordwärts

Genug der (Trauben-)Kultur in Mittelchile und rund um Santiago. Als nächstes machte ich mich auf den Weg in den hohen Norden. Von La Serena einmal quer durch die Atacama Wüste und via Antofagasta bis rauf nach San Pedro und das Valle de la Luna. Die insgesamt ca. 1400 km habe ich in drei Tagesetappen zurückgelegt. Mein Wägelchen läuft immer noch super auch wenn langsam der Lack ab ist. Einerseits im übertragenen Sinn: Vom Hochglanz vergangener Tage ist nichts mehr zu sehen, das Vehiculo ist mittlerweile mit Schmutz paniert. Andererseits leider auch im wörtlichen Sinn: Ich bin mal gespannt, was mich der ‘Wandknutscher’ von La Serena am Ende kosten wird! Jedenfalls arbeiten der Nissan und ich hart daran, die 10’000er Marke zu knacken, der aktuelle Kilometerstand beträgt ca. 6800 km. Hier ein paar Impressionen der Fahrt in den Norden. Und falls euch das Daumenkino lang(weilig) vorkommen sollte, dann denkt daran, dass der ganze Film über 20 Stunden gedauert hat und ich mir jede Minute davon ansehen durfte… Tucktucktuck-tucktucktuck-tucktucktuck 😓💤

This slideshow requires JavaScript.

 

Pisco – Chile vs. Peru

In die Diskussion über den Ursprung des wahren Pisco mische ich mich nicht ein. Aber in der Frage, ob der Pisco Sour aus Chile oder aus Peru besser ist, habe ich mich entschieden. Sorry, Chile ist grossartig, aber den Pisco Sour beherrschen die Peruaner einfach besser! Nach ausgiebigen Vergleichsstudien bin ich zum Schluss gekommen, dass der Peruaner mit dem Eiweiss einfach leckerer ist – und dieser Pisco Sour grande in dem peruanischen Reschti ‘Aji Limon’ in Valparaiso zum Pollo saltado hat zu diesem Entscheid einen nicht unwestlichen Beitrag geleistet… 😇

Piscosour2

Im Valle Elqui bzw. im Dorf Pisco Elqui ca. 70 km östlich von La Serena war ich natürlich trotzdem und habe dort die Pisco Destillerie ‘Mistral’ besichtigt. Und weil es wieder nicht genug Touris für eine Tour hatte, musste ich selbst hinfahren und konnte dann dort leider nur zuhören aber keine Piscos degustieren. Es tat mir schon ein wenig (naja, ziemlich…) weh, in dem Restaurant der Destillerie mit der lauschiger Bar nur ein Mineralwasser trinken zu dürfen… 😩

P. S.: Jaja, ich weiss schon: Bier, Wein, Pisco usw… Aber ich bin in den Ferien, das sollte sich also nicht negativ auf meine Quali auswirken, oder 😉😇😎?

 

 

Valparaíso – Graffitis und Vistas

Die Hafenstadt Valparaíso ist einzigartig in Chile: Einerseits durch ihre Lage mit den an die Hügel geklebten Häusern (findet eine treffendere Formulierung falls ihr könnt), andererseits durch die farbenfrohe Bemalung der Häuser mit unzähligen fantastischen Graffitis (ich bin gar nicht mehr nachgekommen mit dem Knipsen). Dazu hat es in den verwinkelten Gassen überall viele gute, kleine Beizli, eine traumhafte Aussicht auf die Stadt, den Hafen und den Pazifik, es war fantastisches Sommerwetter im Winter – was will man noch mehr? Ich möchte auch gar nicht viel zu meinen zwei Tagen hier schreiben, schaut einfach die (vielen…) Bilder an.

Graffities

valpo16

Vistas

Un texto sobre el vino

Viel besser als mit dieser Inschrift an der Wand des Restaurante ‘La Famiglia’ in Santa Cruz im Valle Colchagua kann man es wohl nicht ausdrücken:

Vino

Also ich verstehe diese Sätze, der Text kann also nicht soooo kompliziert sein… Und falls ihr trotzdem nicht mitkommen solltet, schlage ich vor ihr öffnet eine Flasche Rotwein und dann geht das wie von selbst mit dem Verstehen… 😊 Die Langweiler unter euch können’s natürlich auch mit Google Translate übersetzen lassen… Und ja, ich hatte schon das eine oder andere Glas Rotwein als ich diesen Post getippt habe 😄 Also wenn das jetzt keine Kommentare provoziert, dann weiss nicht mehr weiter…